Leseprobe


Regina Wall, Sommersprossen zum Dessert

 

 

Sommersprossen zum Dessert

 

Einzelband


Nach einer kurzen Begrüßung raunte Yvonne ihrer Schwester zu, dass sie sich jetzt endlich einchecken würde. Als sie dem Portier ihren Namen nannte, fragte sie noch, ob sie ein Nichtraucher­zimmer habe.

    „Ja, natürlich. So wurde es bestellt“, meinte der freundliche Mitarbeiter, dessen blonde Haare einen schönen Kontrast zur dunklen Uniform bildeten. „Und hier sind ihre Schlüssel, Frau Peters.“

    Yvonne starrte überrascht auf die beiden schweren Schlüssel­anhänger mit derselben eingravierten Zimmernummer, die ihr der Mann entgegenschob. „Warum zwei?“

    „Nun, die meisten Gäste möchten zwei Schlüssel.“

    Zwei Schlüssel?! Yvonne verstand die Welt nicht mehr. Wahrscheinlich drückte ihr Gesicht dieselbe Ratlosigkeit aus, die sie empfand, denn der Portier deutete nacheinander auf die beiden Anhänger und erklärte ihr langsam, aber freundlich, als wenn er mit einem Kleinkind sprechen würde: „Ein Schlüssel ist für Sie. Und ein Schlüssel für Herrn Wulff.“

    Für Herrn Wulff? Herrn Wulff?!!!

    „Warum Herrn Wulff?! Ich kenne den Mann doch gar nicht.“ Yvonnes Herz begann zu klopfen. „Ich habe ihn heute zum ersten Mal gesehen. Wieso sollte ich mit ihm ein Zimmer teilen?“

    Der Portier zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Weil Sie beide für ein Doppelzimmer gebucht sind.“ Er schaute erneut im Computer nach. „Gehören Sie etwa nicht zusammen?“

    Noreen, die den Wortwechsel und Yvonnes Aufregung mitbe­kommen hatte, trat hinzu. „Gibt es ein Problem?“

    „Scheinbar gehört Herr Wulff laut Buchung zu mir.“ Yvonne schüttelte heftig den Kopf, dass sich noch ein paar rostrote Strähnen mehr aus ihrem Knoten lösten. „Da liegt ein Fehler vor. Ich habe ein Einzelzimmer buchen lassen. Geben Sie mir also bitte einfach ein anderes Zimmer.“

    „Wenn das so leicht wäre, würde ich das gern tun. Aber wir sind leider ausgebucht“, meinte der Portier bedauernd und entschuldigte sich kurz, um etwas im Büro nachzusehen.

    Das durfte doch nicht wahr sein! Das Albtraumwochenende begann ja noch schlimmer, als Yvonne befürchtet hatte.

    „Nikolas, komm bitte mal. Hier gibt es ein Problem“, rief Noreen Hannes' Freund zu.

    „Wenn ich fünf Nächte lang neben einem nach Zigaretten stinkenden Playboy-Abenteurer liegen muss, kotz' ich“, zischte Yvonne ihrer Schwester halblaut zu.

    „Vielleicht hast du ja Glück und er raucht nur Zigarillos.“

    „Haha.“

    Der Portier kehrte aus seinem Büro zurück und bestätigte Hannes' Zimmerreservierung in dem Moment, als Nikolas sich zu ihnen gesellte.

    „Was gibt's?“, fragte er mit müder Stimme. Noreen setzte ihn kurz ins Bild, während Yvonne mit ärgerlich klopfendem Herzen da­nebenstand und auf die Schlüssel starrte.

    „Herrn Webers Buchung wegen des Einzelzimmers für Frau Peters war richtig“, erklärte der Portier. Dann deutete er auf das Datum. „Zu der Zeit hatten wir allerdings ein neues Software-Update, das uns vereinzelte Probleme bei den Reservierungen bereitete. Womöglich hat sich da auch diese Fehlbuchung eingeschlichen.“ Der Vorfall war ihm sichtlich peinlich. „Der Fehler liegt also beim Hotel.“

    „Und es ist wirklich kein anderes Zimmer frei?“, versuchte Yvonne es noch einmal. Sie spürte, wie sich brennende Verzweiflung ihre Speiseröhre hochfraß. Als der Portier den Kopf schüttelte, fragte sie resigniert: „Ich nehme an, im Zimmer stehen keine zwei Einzel­betten?“

    „Tut mir leid. Aber das widerspricht der Philosophie unseres Hauses, das hauptsächlich von verliebten Paaren frequentiert wird“, meinte er teilnahmsvoll.

    „Und die anderen haben alle Doppelzimmer bekommen?“, versuchte Yvonne es weiter.

    Noreen nickte bestätigend. „Soweit ich weiß.“

    Nachdem er alles durchgesehen hatte, bestätigte er ihre Vermutung. „Leider sind auch unsere wenigen Zustellbetten belegt.“

    „In der näheren Umgebung gibt es wohl kein anderes Hotel oder eine kleine Pension?“ Yvonne wollte nicht zu schnell aufgeben. Scheinbar war es diesem Nikolas völlig egal, neben wem er schlief, so eifrig, wie er sich bei einer Lösungsfindung beteiligte. Immerhin roch er nicht wie ein überquellender Aschenbecher, sondern verströmte trotz seiner lotterigen Kleidung einen angenehmen, dezenten Duft.

    „Das nächste Hotel befindet sich mehr als fünfzehn Kilometer entfernt. Bei uns soll man die Möglichkeit haben, sich fernab vom hektischen Alltag erholen zu können. Deshalb liegen wir so weit draußen auf dem Land.“

    Na toll!, dachte Yvonne. Dann hatten sie ja alles richtiggemacht. Hier sagten sich noch nicht mal Fuchs und Hase gute Nacht.

    Der Portier lächelte entschuldigend. „Eventuell gibt es private Zimmer zwei Orte weiter. Da müsste ich mich aber erst erkun­digen.“

    Frustriert seufzte Yvonne innerlich auf. Sie hatte eigentlich keine Lust, woanders zu wohnen, wenn sie mit ihrer Schwester endlich mal wieder ein paar freie Tage verbringen konnte. […]

    Unauffällig riskierte sie einen Seitenblick auf Nikolas. Echt klasse! Jetzt würde sie mit Indiana Jones ins Bett steigen. Wenigstens war sie schon immer ein Harrison-Ford-Fan gewesen. […]

    Sie blickte mit einem resignierten Schulterzucken zu Nikolas. „Das Doppelbett müsste breit genug sein. Da werden wir uns schon nicht beißen. Oder was denkst du?“

    Dieser bestätigte ihre Frage nur mit einem gegrunzten Laut und griff nach einem der beiden Schlüssel.

    Super!, dachte Yvonne. Da besaß ein Neandertaler ja noch bessere rhetorische Kenntnisse als ihr zukünftiger Bettgeselle! […] Als sie mit ihrem Trolley zur Treppe rollte, schloss sich ihr Nikolas schweigend an. […] Nachdem sie außer Atem – und mit Nikolas im Schlepptau – vor ihrer Zimmertür angekommen war, steckte sie den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Tür und betrat als Erste das Zimmer.

    Wenn sie gedacht hatte, der Start in diesen unglückseligen Kurz­urlaub könnte nicht schlimmer werden, hatte sie sich grundlegend getäuscht. Ihr entfuhr ein tonloses „Scheiße!“, woraufhin sie stocksteif stehen blieb, sodass Nikolas fast in sie hineinrannte. Hinter sich hörte sie einen unterdrückten Fluch, dann eine kurze, gemurmelte Entschuldigung, bevor er ihr über die Schulter schauen konnte. Das leise, verstehende „Aah“, das daraufhin folgte, zeigte ihr, dass er das Objekt ihrer Missbilligung ebenfalls entdeckt hatte.

    Dieses verträumte Hotel verwöhnte, was die Einrichtung betraf, nicht nur die Augen aller Turteltauben mit viel romantischem Chichi. Nein. Es offerierte Yvonne zu allem Überfluss auch noch ein französisches Doppelbett mit duftigem Stoffhimmel, spitzenbesetzten Kissenüberzügen und bloß einer breiten, reich bestickten Decke, die zum Aktivwerden einlud. Natürlich alles in edlem Cremeweiß.

    Wie war das, sie würden sich nicht beißen? Für ihren Geschmack würden sie viel zu eng beieinanderliegen. Zu ihrem Glück war die nur ein Meter vierzig breite Matratze von den gymnastischen Aktivitäten der früheren Gäste auch noch so durchgelegen, dass sie sich beide nachts beim Schlafen unfreiwillig in der Mulde treffen würden.

    Na toll!

    Yvonne schloss kurz die Augen, während sich ihr Magen zusammenkrampfte und in ihrem Inneren ein lautes Oh‑Gott-oh‑Gott-oh‑Gott!!! ertönte. Am liebsten hätte sie auf den Hacken umgedreht und wäre fluchtartig zu ihrem Auto gestolpert, um mit Vollgas vom Parkplatz zu brausen. Doch irgendwie schienen die Sohlen ihrer Schuhe auf dem hochflorigen Teppichboden festgeklebt zu sein. Sie ließen sich keinen Millimeter bewegen.

    Einige Sekunden starrten sie schweigend auf diesen Traum von Himmelbett aus dunkel gebeiztem Holz mit einem wunderschön geschnitzten Kopfteil und weißen, an den Seiten zurückgebundenen Gazevorhängen. Dann tat Nikolas etwas Nettes. Fast schon Höfliches. Aber auf jeden Fall sehr Rücksichtsvolles.

    Er murmelte: „Mmh. Was denkst du, sollen wir bei den anderen nachfragen, ob die ein normales Doppelbett haben und wir die Zimmer tauschen können?“

    „Nein, die meisten haben eh längst ausgepackt. Da will ich nicht von ihnen verlangen, alles wieder in die Koffer zu schmeißen und umzuziehen. Meine Schwester reibt mir sonst die nächsten zehn Jahre meine Prüderie unter die Nase.“ Sie holte tief Luft. „Außerdem … So wie ich das Hotel einschätze, steht in jedem Zimmer ein solches Bett.“

    Und dann überraschte er sie mit einer unerwarteten Ritterlichkeit: „Ich könnte natürlich auf dem Boden schlafen, wenn dir das angenehmer ist.“

    Sie warf einen Seitenblick auf Nikolas und bemerkte, dass er mit unbewegter Miene wie hypnotisiert auf das Himmelbett starrte. „Nein, das kann ich nicht von dir verlangen. Du bezahlst schließlich auch mehr als genug für dieses Romantikhotel und möchtest erholt zurück in den Alltag fahren.“ Nach einer kurzen Pause, in der sie immer noch wie festgenagelt auf der Stelle standen, fragte sie: „Wie sieht's bei dir aus? Hältst du es mit mir für ein paar Nächte in einem französischen Doppelbett aus?“

    „Ich werde es überleben.“ Er wandte ihr seinen Blick zu und schaute auf sie hinab.

    Nun erkannte Yvonne auch seine Augenfarbe. Sie war von einem leuchtenden Goldbraun, versetzt mit einigen, hellen Sprenkeln. Es erinnerte sie an das Leuchten von sehr altem Whisky, den man in einem edlen Glas vor einem prasselnden Kaminfeuer schwenkte. Als sich seine Lippen zu einem warmen Lächeln und seine Augenwinkel zu vielen, feinen Fältchen verzogen, konnte sie zum ersten Mal ansatzweise nachvollziehen, was die anderen Frauen an ihm fanden.

    „Du hast ja glücklicherweise keine Ähnlichkeit mit der alten Rose von den Golden Girls.“ Sein Lächeln vertiefte sich. „Sonst würde ich mir stattdessen einen Strick kaufen.“

    Yvonnes Mundwinkel zuckte. „Ich finde Männer einfach unwiderstehlich, die ihr volles Charmepotenzial auffahren, um Frauen die unvergesslichsten Komplimente zu machen.“

    „Tja, das kann ich ziemlich gut.“ Er grinste. „Dann wird das für uns beide ja ein besonders romantischer Kurzurlaub, in dem viel gekuschelt werden darf. Das wird sicher lustig. Matratzen-Mambo – bei der Hitze!“ Er warf noch mal einen skeptischen Blick auf das Bett und machte eine kleine Handbewegung, die ihr den Vortritt ließ.


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– Diplomarbeit –