Leseprobe


Regina Wall, Elementarteilchen küssen besser

 

 

Elementarteilchen küssen besser

 

Einzelband


Der Deckel ihres Trolleys klappte auf – und mit ihm ihre Kinnlade nach unten.

   Was war das?!! Wie kam dieses ganze Zeug in ihren Urlaubskoffer?

   Schockiert und doch seltsam fasziniert betrachtete sie, was sich ihrem Auge darbot. Dinge, die sie noch nie gekauft oder sich hatte schenken lassen, die sie in ihrem ganzen Leben noch nie benutzt, geschweige denn zwischen die Finger bekommen hatte.

   Dinge, die sie nicht mal in natura gesehen hatte.

   Faszinierende Dinge, die definitiv ein leichtes Kribbeln in ihrem Bauch verursachten …

   Erstaunt und leicht schockiert blickte Linda auf den Inhalt des schwarzen Trolleys, von dem sie mittlerweile wusste, dass er definitiv nicht ihr gehörte.

   Gedankenverloren, mit einem ungewohnten Kribbeln im Bauch, strich sie mit ihren Fingersitzen über das kühle Metall und den matt glänzenden Stoff und fragte sich, was das wohl für ein Mensch war, der solche Dinge mit in seinen Urlaub nahm: ein Paar Handschellen, eine amerikanische Polizistenmütze wie sie die Chippendales trugen (nicht, dass sie schon einmal das Vergnügen gehabt hätte, sie live zu erleben), einen schwarzen Männerstring und eine extragroße Packung Kondome der Größe L.

   Von Neugierde überwältigt ließ sie das harte Metall der Handschellen durch ihre Finger gleiten und überprüfte den Verschluss. Auch wenn man ein Schlüsselloch erkennen konnte, war es dennoch möglich, die Handschellen selbst zu öffnen – auch wenn man gefesselt war.

   Ein leichter Schauder rieselte über Lindas Rücken, da sie noch nie mit solchen Accessoires zu tun gehabt hatte und in dieser Beziehung unerfahren wie ein Baby war. Anschließend hielt sie vorsichtig den Herrenstring hoch und faltete ihn wieder mit hochrotem Kopf zusammen, um ihn da zu verstauen, wo er gelegen hatte. Nachdem sie nochmals zitternd Atem geholt hatte, schloss sie den Deckel sorgfältig.

   Als sie das Äußere des Koffers betrachtete, merkte sie, dass er ihrem eigenen zum Verwechseln ähnlich sah. Nur eine der Außentaschen war etwas kleiner. Ratlos blickte sie auf die Banderole, auf der sie allerdings ihren eigenen Namen mit ihrer Zimmernummer entdeckte.

   Das konnte doch nicht sein!

Nach weiterem Suchen fand sie einen kleinen Adressanhänger, auf dem ein anderer Name stand: Philipp Graf.

   Aha.

   Wie aber kam ihre Banderole an Philipp Grafs Trolley? Vermutlich hatte Betty sie an das falsche Gepäckstück geklebt, nachdem sie überstürzt zu der Sammelstelle vor der Halle gehastet war.

   Aber welcher normale Mensch würde solches Sexspielzeug mit in den Urlaub nehmen? Entweder ein Ehepaar, das Ablenkung vom Alltag brauchte und hier auf dem Schiff die zweiten Flitterwochen verlebte. Oder – und das fand sie weitaus wahrscheinlicher – das Zubehör gehörte einem Macho-Single, der mit seinem großspurigen Verhalten und schmierigen Lächeln viele Frauen ins Bett locken wollte, um zwei Wochen hemmungslos herumzuvögeln.

   Oh, wie hasste sie diese Typen mit ihrem gönnerhaften Auftreten, die jede Frau nur auf die Funktion eines Betthäschens reduzierten.

   Obwohl … manchmal hatte sich Linda auch schon sehnlichst gewünscht, einfach nur als solches wahrgenommen zu werden, um als Objekt der Begierde in beidseitigem Einvernehmen nach Lust und Laune missbraucht zu werden. Wieder merkte sie, wie ihre Wangen warm wurden.

   Vor ihrem geistigen Auge stellte sie sich Philipp Graf als testosteronstrotzenden Deckhengst mit durchtrainiertem Körper, strahlend blauen Augen und regelmäßigem Blendax-Lächeln vor, der jede Frau vernaschte, die ihm über den Weg lief. […]

   Nun, dieser Trolley warf immer noch die Frage auf, wo ihr eigener geblieben war. Es gab nur eine Möglichkeit, es herauszufinden. Nachdem sie in der Bordzeitung die Durchwahl für die Rezeption gefunden hatte, meldete sie dort den Verlust ihres Koffers und nannte der Angestellten den Namen des Trolleybesitzers.

   „Wenn Herr Graf bei mir in der Nähe wohnt, kann ich ihm den Trolley auch gerne persönlich vorbeibringen. Dann kann ich meinen gleich mitnehmen, falls er bei ihm gelandet sein sollte“, meinte Linda am Telefon.

   „Das geht leider nicht. Ich darf Ihnen die Kabinennummer nicht geben. Aber ich werde gleich jemanden zu Ihnen schicken, um das Gepäckstück abzuholen“, klärte sie eine freundliche Stimme mit leichtem Akzent auf. [...]

   Keine zehn Minuten später klopfte es schon an die Tür. Vor ihr stand ein kleiner stämmiger Mann in Uniform, der ein dezentes Namensschild mit dem Aufdruck ‘Manuel’ trug und ihr in gebrochenem Deutsch erklärte, dass er nun den falschen Trolley mitnehmen würde.

   Kurzerhand entschied sich Linda, ihrer Neugierde nachzugeben. „Ich komme mit, vielleicht hat Herr Graf zufällig meinen Koffer, dann kann ich ihn gleich mitnehmen.“

   Nachdem der Angestellte nur zustimmend mit den Schultern gezuckt hatte, folgte sie ihm den endlosen Gang entlang, der – sehr maritim – in Weiß- und Blautönen gehalten war. Doch schon nach knapp zwanzig Metern blieb er stehen und klopfte. Überrascht, dass Philipp Graf auf demselben Deck wohnte, bereitete sich Linda auf seinen Anblick vor.

   Als niemand reagierte, klopfte Manuel erneut. Bevor er allerdings nach kurzem Warten seinen Generalschlüssel zücken konnte, wurde die Tür geöffnet. Linda blinzelte verwundert mit den Augen.

   Vor ihnen stand ein großer Mann mit braunen Haaren und konservativem Haarschnitt. Sein weißes Hemd war leicht zerknittert und die Krawatte in einem lockeren Knoten um seinen Hals gebunden. Die kantige Hornbrille mit abgerundeten Ecken saß leicht schief auf der Nase, was er mit einer routinierten Handbewegung korrigierte. Aufgrund seiner verschlafenen Augen und den dunklen Schatten darunter nahm sie an, dass sie ihn gerade bei einem dringend benötigten Nickerchen gestört hatten. Jedoch wirkte er durch seine müde Blässe und der Art, wie er leicht geblendet gegen das Flurlicht blinzelte, so ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatte.

   Normal. Harmlos. Fast schon verletzlich.

   „Kann ich Ihnen helfen?“ Seine tiefe Stimme war vom Schlafen noch leicht belegt und etwas kratzig. Er räusperte sich kurz.

   Das Bild, das sie sich von diesem scheinbaren Draufgänger gemacht hatte, passte so gar nicht zu der Wirklichkeit, die jetzt direkt vor ihr stand. Ihn hätte sie zuletzt in Verdacht gehabt, verruchte Utensilien für ein leidenschaftliches Schäferstündchen in die Karibik zu schmuggeln. Nun gut, dachte sie, jeder so, wie er es mag. Sie wollte diese Angelegenheit jedenfalls hinter sich bringen, damit sie so schnell wie möglich ihr Gepäck bekam und sich endlich duschen konnte.

   Bevor Manuel mit einer Erklärung loslegen konnte, meinte Linda nur: „Ihr Koffer ist auf meinem Zimmer gelandet. Also, ich meine natürlich in meiner Kabine. Meine Freundin hat wohl vor dem Einchecken meine Banderole aus Versehen an Ihrem Trolley befestigt. Und Ihre eigene muss wohl in dem Getümmel abgerissen worden sein.“

   „Oh …“ Er blinzelte überrascht und beugte sich zu dem Trolley hinunter. „Ja, das ist tatsächlich meiner. Der Adressanhänger stimmt und die Schnur am Verschluss auch. Ich hatte in der Eile des Packens das Schloss nämlich nicht gefunden.“

   „Dann ist ja alles in Ordnung“, begann Linda. „Sie haben wohl nicht zufällig meinen Koffer bei sich stehen?“

   „Nein, leider nicht. Es wurde noch gar kein Koffer geliefert. Und da ich eingeschlafen bin, habe ich auch nicht bemerkt, wie die Zeit vergangen ist.“ Er blickte kurz auf seine Armbanduhr. „Wie sieht ihr Koffer denn aus?“

   „Fast genauso wie Ihrer. Deshalb habe ich es auch anfänglich nicht bemerkt. Erst als ich ihn öffnen wollte, fiel mir die unterschiedliche Größe der Vordertasche auf und die Schnur am Reißverschluss.“

   Manuel, der die ganze Zeit still und höflich lächelnd dagestanden hatte, verstand, dass ihr Koffer noch vermisst wurde, und versprach ihr, sich darum zu kümmern.

Nach einer kurzen Verabschiedung, bei der sich Philipp nochmals bei Linda bedankte, schloss er seine Tür und lehnte sich erschöpft dagegen. Gedankenverloren rieb er sich erst seinen Nacken, dann seine Augen hinter der Brille. Er fühlte sich immer noch wie gerädert.

   Immerhin hatte er schon sein Gepäck, wohingegen diese Blondine mit der leicht rauchigen Stimme wohl noch eine Weile darauf warten musste.

   Er dachte an ihre Augen, mit denen sie ihn anfänglich gemustert hatte. Ein so intensives Grün hatte er vorher noch nie bei einem Menschen gesehen. Oder hatte er sich durch das Flurlicht täuschen lassen?

   Die Art, wie sie ihn angesehen hatte, fand er etwas irritierend. Er war sich vorgekommen, als ob sie ihn in Bezug auf etwas einschätzen wollte, von dem er nichts wusste – wie eine Promenadenmischung, die zufällig bei einem Hunde-Schönheitswettbewerb voller kunstvoll frisierter Pudel gelandet war. Am Schluss hatte diese Frau dann aber doch etwas enttäuscht gewirkt, was seiner Meinung nach nicht nur auf den fehlenden Koffer zurückzuführen war.

   Ihre ansonsten sachlich-unterkühlte Ausstrahlung wurde nicht nur von ihrer korrekten Freizeitbekleidung und ihrem streng nach hinten gekämmten Dutt hervorgerufen, der die feinen Linien ihres Gesichts hervortreten ließ. Nein. Es lag auch daran, dass sie ihn während dieser Begegnung kein einziges Mal angelächelt hatte – obwohl sie einen schön geschwungenen Mund hatte, der auch ohne Lippenstift überaus sinnlich wirkte. Sie hatte – wie sie da vor seiner Tür gestanden hatte – so kühl auf ihn gewirkt, dass es ihn bei diesen karibischen Temperaturen beinahe gefröstelt hätte.

   Und doch … irgendetwas an ihrem kühlen, geschäftsmäßigen Tonfall hatte ihn aufhorchen lassen. Etwas für ihn nicht Fassbares hatte unterschwellig mitgeschwungen.


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– Diplomarbeit –