Leseprobe


Regina Wall, Küss mich, Nachbar!

 

 

Küss mich, Nachbar!

 

Die Pitbulls – heiß auf Eis!

Band 4

 


Mann, war das ein Wetter!

   Wenige Kilometer vor Knopfheim hatte das Blitzeis begonnen. Ein kurzer Starkregen hatte den kalten Boden in eine Eisfläche verwandelt, wie sie Mischas Eishockeyherz eigentlich lieben müsste. Doch im Auto auf der Heimfahrt vom Skiurlaub am zweiten Abend des neuen Jahres war diese Rutschpartie auf spiegelglatter Fläche überhaupt kein Vergnügen!
   Er hatte Rafael vor dessen Haus abgesetzt. Mit mehr Glück als Verstand hatte sein Teamkollege die wenigen Meter zur Haustür ohne Sturz und gebrochene Knochen bewältigt. Als Mischa die kurze Strecke von Rafael zu seiner Wohnung hinter sich gebracht hatte – ohne auf den vereisten Straßen gegen einen Laternenpfahl zu schlittern –, schaltete er den Motor aus und atmete tief durch.
   Das wäre geschafft!

   Vorsichtig stieg er aus und rutschte mehr, als dass er ging, zum Kofferraum seines SUV. Dann zog er den Trolley langsam bis zum Hauseingang hinter sich her und stellte ihn ab. Mit konzentrierten Schritten machte er sich wieder zurück zu seinem Wagen. Er streifte seinen Rucksack über, griff nach der Klappkiste mit Ski-Zeug und schlug den Kofferraumdeckel zu.

   Auf dem Weg zur Tür dachte er, wie ironisch es doch wäre, wenn er den Skiurlaub mit seinen wilden Abfahrten heil überstanden hätte – nur um auf der kurzen Strecke zur Haustür auf Blitzeis auszurutschen und sich ein Bein zu brechen. Dann wäre die Eishockey-Saison für ihn gelaufen. Mischa schüttelte den Kopf. So etwas konnte er jetzt gar nicht brauchen!

   Als er mit der Klappkiste vor dem Eingang des anderthalbstöckigen Hauses ankam, atmete er erleichtert aus.

   Alles gut gegangen.

   Er schaltete die Treppenhausbeleuchtung ein und schloss auf. Beschwingt schubste er mit der Kiste vor dem Bauch die Tür auf, machte zwei Schritte in den Eingangsbereich und … stieß mit dem Fuß gegen etwas Hartes. Noch während er versuchte, mit einem dritten Schritt die Balance wiederzufinden, merkte er, wie sich alles um ihn herum scheinbar verlangsamte und sich seine Wahrnehmung gleichzeitig verschärfte. Intuitiv wusste er, dass jeder Kampf ums Gleichgewicht verloren war.

   Er spürte im Fallen einen schmerzhaften Stich im rechten Knöchel und kippte wie ein gefällter Baum zur Seite. Sein rechter Rippenbogen prallte auf die Klappkiste, die dabei zu Bruch ging, wobei sein rechtes Handgelenk den Rest des Schwungs abfing.

   Autsch!

   „Himmel, Arsch und Zwirn!!“, brüllte Mischa und fasste sich an den Knöchel.

   Waren das Schmerzen!

   Dann bemerkte er eine große Pappschachtel, die schuld an seinem Sturz war. „Welcher hirnverbrannte Idiot lässt einen Karton im Eingangsbereich stehen?!“

   In dem Moment flog Helmuts Wohnungstür auf und Mischa machte sich auf eine himmlische Erscheinung gefasst. Doch es war nicht sein verstorbener Vermieter, der mit Engelsflügeln am oberen Treppenabsatz erschien, sondern eine große Frau. Oder kam ihm das nur so vor, weil er unten auf dem Fußboden hockte und sie weiter oben stand und auf ihn hinabblickte?

   „Oh Gott, sind Sie gestolpert?!“, fragte sie etwas atemlos. Sie schien südländischer Herkunft zu sein.

   „Na, was denken Sie denn, was ich hier auf dem Boden mache? Einen Pilates-Kurs?!“ Er streifte den lästigen Rucksack ab.

   „Aber wie konnten Sie bloß diesen großen Karton übersehen?“ Sie kam zwei Stufen herunter, während ein schwarzer Hund mit kurzem Bellen im Türrahmen erschien.

   „Ach, jetzt bin wohl ich schuld, dass mir Ihr Zeug im Weg steht und mich zu Fall bringt?!“, rief Mischa erbost und ließ sie ungefiltert seinen Frust über den Sturz und die Schmerzen spüren. Dann versuchte er, den Knöchel zu bewegen. Der unmittelbare Stich ließ ihn die Augen zukneifen und tief durchatmen. Doch er erkannte erleichtert, dass nichts gebrochen war.

   Der Hund bellte wieder, sodass die Frau mit fester Stimme „Aus!“ sagte und zur offenen Wohnungstür zeigte. Anschließend wandte sie sich erneut Mischa zu und rechtfertigte sich aufgebracht: „Ich wusste doch nicht, dass heute überhaupt noch jemand das Haus betritt. Wir haben ja schon fast Schlafenszeit.“

   „Sie gehen so früh schlafen?! Wenn Sie das nur mal gemacht hätten, dann würde ich jetzt nicht hier sitzen“, ätzte er.

   „Außerdem wollte ich den Karton gerade wegräumen“, argumentierte die Frau und strich ihren langen, hochgebundenen Pferdeschwanz über die Schulter. „Ich hatte ihn bloß kurz zwischengelagert, weil ich am Umräumen bin.“

   „Dafür gibt es ja wohl bessere Plätze! Wie kann man nur so blöd sein und ihn direkt im Eingangsbereich abstellen, wo jeder drüberstolpert?!“ Mit diesen Worten drehte sich Mischa von seiner sitzenden Position auf die Knie, um sich aufzurichten. Dabei protestierten seine Rippen aufs Heftigste.

   „Da muss man aber auch echt blind sein, um den zu übersehen“, stellte die Frau mit verärgerter Stimme fest. Dabei stützte sie angriffslustig die Hände in die schmale Taille.

   „Meinen Augen fehlt nichts, keine Sorge. Was Ihren Verstand angeht, bin ich mir da nicht so sicher.“ Mit tiefer Befriedigung vernahm er ihr leises Schnauben. Was das verächtlich hingeworfene ¡Imbécil! hieß, wollte er lieber nicht wissen.

   Als Mischa dann zum Treppengeländer griff, um sich hochzuziehen, benutzte er – dämlich, wie er war – die rechte Hand, sodass ihm ein stechender Schmerz ins Handgelenk fuhr und ihn knurren ließ.

   „Lassen Sie mich Ihnen helfen“, bot die Frau an und kam die restlichen Stufen zu ihm hinunter.

   „Bloß nicht!“, zischte Mischa durch seine zusammengepressten Zähne und machte eine abwehrende Geste. „Sonst passiert noch Schlimmeres und ich lande garantiert im Krankenhaus.“ Vorsichtig zog er sich in eine stehende Position.

   Erst da merkte er, dass die Frau ihn fast auf Augenhöhe anblickte. Wow, das war ungewöhnlich. Er selbst war schon an die eins sechsundachtzig. Er blickte kurz zu ihren Füßen, die in flachen, plüschigen Häschenpantoffeln steckten. Sie musste auf jeden Fall eins achtzig sein.

   Er funkelte sie streitlustig an. „Und wer, zum Teufel, sind Sie eigentlich?!“

   Sie drückte ihren schlanken, wohlproportionierten Oberkörper durch und reckte provozierend das Kinn. „Helmuts Enkelin und – wenn Sie Mikhail Petrow sind – Ihre neue Vermieterin.“

   „Na, danke.“ Mischa gab ein abschätziges Geräusch von sich. „Dann sollte ich wohl eine Krankenhaus-Zusatzversicherung abschließen. Sonst sind Sie noch mein gesundheitlicher und finanzieller Ruin.“ Er hob verärgert die Hand, um eine lange Haarsträhne aus der Stirn zu streichen. In dem Moment zuckte seine Vermieterin leicht mit dem Kopf zurück, hatte sich jedoch gleich wieder im Griff.

   Was war das denn gerade gewesen?, fragte sich Mischa.

   Daraufhin schien sie ihn – wenn möglich – noch herausfordernder anzufunkeln.

   Die kann mich mal, dachte er. Er ignorierte ihre helfende Hand und hüpfte auf einem Fuß Stufe für Stufe nach oben. Bei jedem Sprung erbebten seine lädierten Rippen. Sein rechter Knöchel brannte, weil er immer mehr anschwoll, und sein verstauchtes Handgelenk pochte. Aber nie und nimmer würde er sich dazu herablassen, sich wie ein Weichei auf ihre Schulter zu stützen, um die Erschütterung geringer zu halten.

   Oh Mann, war das ein Start ins neue Jahr!

   „Wegen Ihnen kann ich jetzt am Wochenende nicht spielen. Mein Team wird es Ihnen mit Sicherheit nicht danken.“

   „Ach, ihr Knopfheimer immer mit eurem bescheuerten Eishockey!“, brauste sie auf. „Da gibt es doch wirklich und wahrhaftig wichtigere Dinge im Leben!“

   Mischa hielt auf einer Treppenstufe inne und drehte sich fassungslos zu ihr um. „Gute Frau, Sie haben ja keine Ahnung! Und Sie wollen mit dieser Einstellung in Knopfheim leben, ohne von der Meute gelyncht zu werden? Na, dann viel Spaß!“ Er machte sich an die nächste Stufe.

   Es war ihm völlig egal, dass sich diese rechthaberische Schnalle an seinem schweren Trolley schier einen Bruch hob, während sie hinter ihm her schwankte. Sollte sie doch. Schließlich war sie schuld daran, dass er ihn nicht selbst hochtragen konnte. Er hatte jetzt Wichtigeres zu tun: Kühlkompressen auflegen, dem Osteopathen zwecks baldmöglichem Termin eine Nachricht schicken und seinem Trainer Bescheid geben, dass er beim Spiel am kommenden Samstag ausfiel.

   Verdammte Scheiße!

   Letzteres nervte ihn am meisten.

   Er schloss seine Wohnungstür auf und humpelte in die Küche. Nachdem er sich mit Kühlkissen aus dem Eisfach eingedeckt hatte, ließ er sich in einen Sessel sinken und zog vorsichtig den rechten Schuh aus. Tja, der Knöchel war genauso dick, wie er sich anfühlte.

   Super! Klasse gemacht, Mischa. Du hast wirklich Talent!

   Er legte eine kalte Kompresse auf die Schwellung und fuhr sich frustriert übers Gesicht, bevor er die andere um sein Handgelenk wickelte. Dann hörte er an der Tür ein Geräusch. Die Frau stellte schnaufend seinen Trolley ab. Dabei bemerkte er unbewusst, dass sie seltsam gekleidet war. Nicht wie eine seriöse Hausherrin.

   „¡Mierda! Was haben Sie nur in den Koffer eingepackt? Backsteine? Oder die zerhackte Vermieterin ihrer Ferienwohnung, wenn Sie zu allen Vermieterinnen so charmant sind wie zu mir?“

   Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und stieg wieder die Treppen hinunter. Kaum eine Minute später war sie mit seinem Rucksack und einem Arm voller Ski-Zeug zurück.

   Nachdem sie alles eher hingeknallt als abgelegt hatte, stand sie mit in die Hüften gestützten Händen im Eingangsbereich seiner Wohnung und blickte sich um. In der Zeit konnte er ihren Aufzug genauer betrachten: besagte Häschenpantoffeln; hautenge Leggings mit Leopardenmuster an ihren endlosen, schlanken Beinen; knapp sitzender Pulli, dessen tiefer, tiefer Ausschnitt wie auch die Ärmelaufschläge mit hellem, plüschigem Fell besetzt waren. In einem gewissen Milieu wäre das als Arbeitskleidung absolut angebracht.

   Okay, die Häschenpantoffeln passten nicht ganz ins Bild.

   Dennoch würde er sie mit Sicherheit nicht hereinbitten.

   „Soll ich die kaputte Klappkiste gleich entsorgen?“, fragte sie mit direktem Blick auf ihn.

   Er fühlte sich ertappt und knurrte: „Ja.“

   „Also dann“, sie drehte sich um, dass ihr langer dunkler Pferdeschwanz elegant herumschwang, „Gute Nacht und noch ein frohes neues Jahr.“

   Mischa stieß ein ironisches Schnauben aus, als die Tür ins Schloss fiel. Ihr frohes neues Jahr konnte sie sich ganz tief in ihren hübschen Hintern schieben!


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– Diplomarbeit –